Personalführung in Krisenzeiten: Teylor im Gespräch mit Michael Kohlhaas
Führungskräfte müssen in der Corona-Krise ihre Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Teylor sprach deshalb mit Michael Kohlhaas, Strategieberater und Leadership-Coach, über Mitarbeiterführung und Personalentwicklung in der Krise.
Michael Kohlhaas hat bereits sehr früh in seiner Karriere Führungsverantwortung übernommen. Zunächst war er 14 Jahre bei der Bundeswehr tätig, zuletzt als Kompaniechef in der Pioniertruppe. Anschließend hatte er 18 Jahre lang verschiedene Führungspositionen in der Industrie inne, sowohl in mittelständischen Betrieben als auch im Konzern. In den vielen Jahren hat es immer wieder Krisen gegeben. Daher ist Führung in Krisenzeiten für ihn nichts völlig Unbekanntes.
Heute betreut er Mittelständler und öffentliche Organisationen (Ministerien auf Bundes- und Landesebene, Deutsche Rentenversicherung, u.a.) bei der Strategie- und Personalentwicklung, bietet Workshops- und Coachings für Führungskräfte an und ist der Geschäftsführer der 100PersEnt GmbH & Co. KG, einer Gesellschaft für ganzheitliche Personal- und Organisationsentwicklung. Kohlhaas ist außerdem Autor des Buches „(IM)PROVE your Leadership. Erfolgsfaktor Führungskultur – Das Führungshandbuch für den Mittelstand“.
Im Interview spricht Michael Kohlhaas mit Lukas Hofer über Krisenmanagement, Führungsverantwortung und den Umgang mit Mitarbeitern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Herr K0hlhaas, die COVID-19 Krise ist für viele Mittelständler eine existenzbedrohende Herausforderung. Dabei haben viele Führungskräfte auch mit ihren eigenen Zukunftsängsten zu kämpfen. Wie behält man in solchen Situationen einen kühlen Kopf?
Eine gute Frage und wirklich nicht einfach zu beantworten. Wie bei allen persönlichen Eigenschaften gibt es auch in diesem Fall einen Teil, der als genetische Disposition mehr oder weniger ausgeprägt und daher nur schwer zu beeinflussen ist.
Erlernen kann aber jede Führungskraft Verhaltensweisen, die dazu führen, dass sie über die Zeit eine positive Grundhaltung entwickeln. Jeder von uns kennt Menschen, die in Krisenzeiten nichts tun, außer die Umstände zu beklagen. Welch eine sinnlose Vergeudung von Energie und Zeit. Aber der Mensch hat in solchen Situationen die Wahl. Besser ist es, den unabänderlichen Teil der Situation zu akzeptieren und seine Energie in den Bereich zu investieren, den ich tatsächlich gestalten kann. Es gibt immer etwas Positives zu tun.
Als Führungskraft muss man in einer solchen Krisensituation nicht nur den Geschäftsbetrieb am Laufen halten, sondern auch die Sorgen der Belegschaft mindern. Welche Maßnahmen können Führungskräfte ergreifen, um die Moral in der Firma aufrecht zu erhalten?
Man kann gut an die erste Frage anknüpfen: Für Führungskräfte ist diese Eigenschaft – also sich auf das Machbare zu konzentrieren - in der Tat doppelt wichtig. Wie Sie sagten: Führungskräfte kämpfen mit den eigenen Zukunftsängsten und müssen sich gleichzeitig um ihre Mitarbeiter*innen kümmern. Wenn Führungskräfte die ersten Bedenkenträger sind, dann sind sie als Führungskräfte ungeeignet.
Es geht aber meines Erachtens nicht so sehr um die berühmten fünf oder sieben Maßnahmen, die aus der Krise führen. Es geht vielmehr um die vielen kleinen täglichen Aktivitäten, die erledigt werden müssen, damit das Gestaltbare auch tatsächlich umgesetzt wird. Kommunikation ist für mich dabei das A und O. Kommunikation nicht nur im Sinne von Reden, sondern auch und vor allem im Sinne von aufmerksamem Zuhören.
Und es geht um die bereits angesprochene positive Grundeinstellung. Martin Luther hat dies einmal so schön formuliert: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz".
In vielen Firmen herrscht heute Kurzarbeit, Budgets werden gekürzt und Bonuszahlungen werden ausgesetzt. Wie sollten Führungskräfte unbeliebte Maßnahmen im Betrieb kommunizieren?
Das ist im Grunde ziemlich einfach zu beantworten: klar und deutlich, aber mit der notwendigen Portion Empathie. Die Menschen sind nicht dumm und man kann ihnen daher einiges zumuten. Wenn - wie es aktuell in einigen Branchen geschieht – die Umsatzerlöse um nahezu 100% wegbrechen während die Kosten weiterlaufen, dann muss man kommunikativ keine intellektuellen Klimmzüge vornehmen, um die Menschen auf unbeliebte, aber notwendige Maßnahmen einzustimmen.
Offenheit, Klarheit und Aufrichtigkeit sind in solchen Situationen gefragt. Zur Aufrichtigkeit gehört auch, dass Führungskräfte nicht Wasser predigen und Wein trinken. Wenn also den Mitarbeiter*innen Opfer abverlangt werden, während gleichzeitig an bestimmte Personenkreise Boni ausgezahlt werden, dann sollte man sich über Unruhe im Betrieb nicht wundern.
Bei vielen Firmen wird auch Personal abgebaut. Wie sollten Firmen dabei strategisch vorgehen?
Der Personalabbau ist nur eine besondere Form der vorhin erwähnten „unbeliebten Maßnahmen“. Für ihn gelten meines Erachtens die gleichen Grundsätze. In früheren Krisen haben wir zum Beispiel den Mitarbeiter*innen dabei geholfen, so schnell wie möglich eine neue Arbeit zu finden. Die Personalleitung hat dazu ihr Netzwerk mit anderen Firmen genutzt, um die freigesetzten Mitarbeiter bei der Jobsuche zu unterstützen.
In der aktuellen Krise, die Firmen weltweit und branchenübergreifend trifft, ist das natürlich nur sehr bedingt erfolgreich. Insofern gilt es, sämtliche (staatlichen) Unterstützungsangebote wahrzunehmen. Aber zur Wahrheit gehört es auch festzustellen, dass der Staat nicht in der Lage ist, Umsatzausfälle dauerhaft zu ersetzen und Insolvenzen zu vermeiden.
Betriebsbedingte Kündigungen sind ein Alptraum für jede Führungskraft. Wie bereitet man sich als Führungskraft am besten auf solche Gespräche vor und wie überbringt man die schlechte Nachricht?
Na ja, Führungskräfte sollten in solchen Fällen nicht zu sehr in Selbstmitleid verfallen. Ein Alptraum - wie Sie es nennen – sind betriebsbedingte Kündigungen vor allem für die betroffenen Mitarbeiter*innen.
Dennoch stellen die Einzelgespräche auch für Führungskräfte eine Herausforderung dar. Je besser und klarer die allgemeine Information über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens durch die Geschäftsleitung im Vorfeld der Kündigungsgespräche erfolgte, desto besser sind die Mitarbeiter*innen auf solche Gespräche eingestellt. Meines Erachtens ist das – übrigens für beide Seiten - die beste Vorbereitung auf das jeweilige Einzelgespräch.
Im Kündigungsgespräch sollte die Botschaft auch klar und deutlich transportiert werden, ohne Empathie vermissen zu lassen. Es bleibt ein schwieriger Balanceakt zwischen notwendiger Empathie einerseits und nicht hilfreichem Mitleid andererseits.
Ich habe solche Gespräche immer selbst geführt, aber auch immer im Beisein einer weiteren Person, meistens aus der Personalabteilung. Es hat auch mit Fragen der Justiziabilität zu tun.
Und ein Letztes noch: stellen Sie sich auf zum Teil heftige emotionale Reaktionen ein. Es werden Tränen fließen, auch bei erwachsenen Männern, bei denen Sie das nicht gedacht hätten. Und haben Sie auf folgende Frage eine sinnvolle Antwort parat: „Warum ich?“
Mehr Informationen zu Michael Kohlhaas und seiner Arbeit finden Sie auf seiner Webseite Erfolgsfaktor Management im Mittelstand.