Mittelstandsfinanzierung im Wandel: Hybride Finanzierungen als Zukunftsmodell
Die Mittelstandsfinanzierung ist im Wandel. Mezzanine und eigenkapitalnahe Finanzierungen gewinnen an Bedeutung. Im Experteninterview unterhalten wir uns mit Franco Ottavio Mathias über hybride Finanzierungsmodelle und Liquiditätsengpässe in der Coronakrise.
Die Mittelstandsfinanzierung ist im Wandel. Mezzanine und eigenkapitalnahe Finanzierungen gewinnen an Bedeutung. Im Experteninterview unterhalten wir uns mit Franco Ottavio Mathias über hybride Finanzierungsmodelle und Liquiditätsengpässe in der Coronakrise.
Franco Ottavio Mathias berät seit über 20 Jahren kleine und mittelständische Unternehmen hinsichtlich ihrer Unternehmensfinanzierung. Er ist Geschäftsführer der HCM-Gruppe, die Unternehmen in Belangen der kaufmännischen und betriebswirtschaftlich Beratung (Wachstum, Sanierung, Nachfolge und M&A) unterstützt, sowie aktiv Unternehmen in Finanzierungsfragen begleitet.
Die HCM Gruppe unterstützt außerdem kleine und mittelständische Unternehmen mit zusätzlichem wirtschaftlichem Eigenkapital in Form von stillen Beteiligungen und hat hierfür mit weiteren Investoren einen Investorenpool aufgebaut. Seit Ausbruch der Coronakrise wurden solche alternativen Finanzierungen wichtiger.
Herr Mathias ist darüber hinaus als Business Angel tätig und gründete 2010 das Business Angels Hanse Netzwerk (B.A.H.N.) mit. In seiner langjährigen Beratungs- und Beteiligungstätigkeit hat er bereits über 600 Projekte beraten, begleitet und finanziert. Wir haben uns deshalb mit Franco Mathias über Finanzierungslösungen in der Krise, stille Beteiligungen, hybride Finanzierungen und aktuelle Trends in der Mittelstandsfinanzierung unterhalten.
HCM berät vor allem kleine und mittelständische Unternehmen in Finanzierungsfragen. In der COVID-Krise leiden viele KMU unter Liquiditätsproblemen. Welche Finanzierungslösungen haben sich in der Krise für Ihre KMU-Kundschaft als zweckmäßig erwiesen?
Die aktuelle Situation war für alle Beteiligten eine Herausforderung. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen hatten unter der eingeschränkten Situation als Erste zu leiden. Um dem entgegenwirken zu können, war schnelles Handeln für ausreichende Liquidität erforderlich.
Beteiligungskapital war eine Möglichkeit, um einen Finanzpuffer für die Krisensituation gewährleisten zu können. Vor allem konnte damit aber eine Hebelfinanzierung für die mögliche Beantragung der Kreditmittel seitens des Bundes und der Verbürgung seitens der Bürgschaftsbanken ermöglicht werden. Alternative Finanzierungsansätze, wie bspw. Beteiligungskapital, waren in dieser Situation sehr wichtig, da schätzungsweise drei Viertel der Soforthilfe-Anfragen abgelehnt bzw. in der Form nicht genehmigt wurden.
Wir haben hierfür einen eigenen Weg für die Stärkung des Eigenkapitals jenseits der Banken aufgebaut und den Finanzierungsmarkt für private Investoren geöffnet. Bei der Finanzierung handelt es sich nicht um die klassische Bankenfinanzierung, sondern um eine alternative Finanzierung mittels privatem Kapital.
Kleine Unternehmen greifen oft auf Firmenkredite zurück, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Wenn das nicht funktioniert, zum Beispiel, weil die Bonität nicht ausreicht, was raten Sie Unternehmen dann?
Sich nach Alternativen umzuschauen und mehrgleisig zu planen. Ein Teil kann die Finanzierung über stille Beteiligungen darstellen. Durch eine Finanzierung mit einer stillen Beteiligung, welche durch seine Ausgestaltung als wirtschaftliches Eigenkapital dargestellt werden kann und vielfach auch anerkannt wird, kann sich die Eigenkapitalsituation eines Unternehmens verbessern. Die Eigenkapitalquote steigt bei gleichbleibenden anderen Bilanzpositionen. Hierdurch kann sich auch das Rating verbessern. Des Weiteren kann sich durch den Mittelzufluss die Liquiditätssituation verbessern.
Aktuell hat der externe Investor jedoch nicht nur eine Hebelfunktion, sondern dient auch als „Türöffner“. Viele Finanzierungen werden nur noch wahrgenommen, wenn auch ein weiterer Investor/en sich mit seinem Kapital engagieren will und damit zeigt, dass er an das Vorhaben und an das Unternehmen mit seiner Leistungsfähigkeit glaubt und dies mit einer eigenen Kapitalinvestition mitträgt. Hierbei ist es vermehrt auch gängige Praxis, dass sich Investoren syndizieren und gemeinsam im Pool ein finanzielles Engagement eingehen.
Ein Leadinvestor kann hierbei diesen Investorenpool organisieren und führen, wobei die einzelnen Beteiligungen hinsichtlich der Höhe in den zurückliegenden Jahren rückläufig waren und die Tendenz vorherrscht, kleinere Beteiligungen je Unternehmen einzugehen, dafür jedoch auf mehrere Unternehmen verteilt. Somit erfolgt in diesem Beteiligungsbereich vermehrt eine Streuung der Investitionen sowie eine damit verbundene Diversifizierung des Risikos.
Hybride Finanzierungen sind ein Teil Ihrer Beratungsleistungen. Welche Möglichkeiten gibt es?
Das Gesamtkonzept dieser Hybridfinanzierung besteht dabei sowohl aus Eigenmitteln der bestehenden Gesellschafter bzw. Partner (neu einzubringende Finanzmittel oder thesaurierte Gewinne) als auch aus stillen Beteiligungen von ein oder mehreren Investoren, als auch aus Kreditmitteln von Banken. Zusätzlich können noch weitere Beteiligungen aus Fondsgesellschaften oder Förderungen von öffentlichen Institutionen (Mittelständische Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer, Bürgschaftsbanken) sowie Factoring- oder Finetradingfinanzierungen und Leasingansätze wie Sale-and-Lease-Back hinzukommen.
Welche Vor- und Nachteile haben hybride Finanzierungen im Vergleich zum Firmenkredit oder im Vergleich zu einer reinen Eigenkapitalbeteiligung, und wann kommen solche Finanzierungen für KMU in Frage?
Hybridfinanzierungen haben den Vorteil, dass sie die Unternehmensfinanzierung auf verschiedene Säulen stellt und damit einen Finanzierungsmix aufbaut, der sich nach den Unternehmensbedürfnissen ausrichtet. Im Krisenfall können Unternehmen zudem den Ausfall eines Finanzierungspartners ausgleichen und schnell reagieren.
Durch die Zuführung einer oder mehrerer Beteiligungen wird zudem eine komfortable Eigenkapitalsituation erzielt, welche sowohl die Unabhängigkeit der Unternehmen als auch die mittelfristige Unternehmenssituation verbessert. Dies wiederum erhöht das Rating. Des Weiteren verbessert sich durch den Mittelzufluss die Liquiditätssituation. Bei nachrangigen stillen Beteiligungen besteht sicherlich für den Investor ein gewisses Risiko des Verlustes seiner Investition, weshalb zu einer gründlichen Prüfung der geplanten Unternehmung im Vorfeld zu raten ist.
Die eventuell erhöhten Finanzierungskosten können durch verbesserte Ratings und Bilanzrelationen ausgeglichen werden. Die Verbesserung der Bilanzrelationen ist daher ein wesentliches Mittel, um sich auch weiterhin kostengünstig finanzieren zu können. Dies ist insbesondere aktuell bei steigenden Ausfallrisiken wichtig, um weiterhin die Marktposition zu verbessern.
Sie sagen auf Ihrer LinkedIn Seite: „Eigenkapital ist das einzige, was zukünftig zählt. Unternehmen gründet man, Menschen muss man gewinnen.“ Bei einer Fremdfinanzierung muss man den Kreditgeber „nur“ von seiner Fähigkeit der Rückzahlung überzeugen. Bei Eigenkapitalfinanzierungen muss man einen Investor vom Geschäftsmodell überzeugen. Worauf kommt es dabei an?
Das Geschäftsmodell ist wichtig und sollte nachhaltig ausgerichtet sein, denn auch Beteiligungskapital partizipiert am Erfolg und eine stille Beteiligung muss auch irgendwann zurückgezahlt werden.
Wir haben über die Jahre einen standardisierten Prüfprozess aufgebaut und können relativ kurzfristig entscheiden, welches Engagement sinnvoll für unsere Beteiligungsgesellschaft und unsere Investoren erscheint. Da wir mit unserem Investorenpool bereits seit mehreren Jahren zusammenarbeiten und schon eine Vielzahl an Beteiligungen umgesetzt haben, können wir hier schnell und nach den Präferenzen der Investoren entscheiden. Das spart Zeit, ermöglicht uns jedoch auch ein verantwortungsvolles und zielgerichtetes Vorgehen.
Darüber hinaus begleiten wir die Unternehmen während der Beteiligung mit einem Mini-Controlling, um zum Schutz des Investors und des Unternehmens auf Entwicklungen schnell und angemessen reagieren zu können.
Zuletzt noch ihr Ausblick: Welche Trends beobachten Sie derzeit in der Mittelstandsfinanzierung?
Die Nachfrage nach alternativen Finanzierungen nimmt – sowohl direkt bei uns als auch im Gesamtmarkt – deutlich zu. Die Gründe liegen insbesondere darin, dass Unternehmen versuchen, sich verstärkt unabhängiger von Banken zu machen.
Insgesamt kommt es im Markt momentan zu einer kompletten Neustrukturierung der Finanzierungsmodelle, was zu einer deutlichen Steigerung des Bedarfs im mezzaninen und eigenkapitalnahen Bereich führt. Gleichzeitig werden diese Modelle auch verstärkt von Investoren nachgefragt, da die Bandbreite der Produkte in die sie investieren können in jüngster Zeit merklich schmaler geworden ist.
Auf www.hcminfo.de können Sie mehr über die Arbeit der HCM Gruppe erfahren.